Ostern 2021

Ostern 2021

Der Tod Jesu stellte für die Jünger und Jüngerinnen eine tiefe Krise ihres Glaubens und ihres Lebens dar. Sie reagierten mit Rückzug ins Private (sie versammeln sich hinter verschlossenen Türen) und mit Angst. Das offensichtliche Scheitern ihres Messias passte nicht zu ihren Vorstellungen und Erwartungen.

Wenn hier Schluss gewesen wäre, würden wir heute nichts über Jesus wissen, denn er wäre einer der zahl- und namenlosen Märtyrer der Menschheitsgeschichte gewesen. Doch die Geschichte endete hier nicht, denn es gab eine Auferstehung. Gott rehabilitiert den Gekreuzigten mit der Auferstehung, er setzt ihn ins Recht und die Weltmacht Rom ins Unrecht. 

Man könnte jetzt eine Haltung des Triumphs der Jüngerinnen und Jünger erwarten, aber weit gefehlt. Der älteste Bericht über eine Begegnung der Jüngerinnen mit der Botschaft der Auferstehung Jesu zeigt etwas völlig anderes: Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich. (Mk 16,8).

Die weiteren Begegnungen des Auferstandenen mit den Jüngerinnen und Jüngern werden noch deutlicher: Die Auferstehung ist kein Zurück in die Zeit vor der Kreuzigung, sie ist kein Weiter so wie vor der Gefangennahme. Die Auferstehung ist nicht die Wiederbelebung eines Toten, der dann einfach sein Leben wie vorher weiterlebt. Die Jüngerinnen und Jünger erleben den Auferstandenen als eine neue Seinsform: Sie erkennen ihnen, und doch ist er fremd. Er isst und trinkt mit ihnen, lässt sich berühren und verschwindet doch plötzlich oder erscheint plötzlich.

Die Begegnungen der Jüngerinnen und Jünger mit dem Auferstandenen, den sie wiedererkennen und der gleichwohl so anders ist, verändert auch sie. Die Angst und das Entsetzen verwandeln sich in Glauben und Verstehen. Und es entsteht etwas völlig Neues, eine Gemeinschaft der Gläubigen, die sich als Leib Christi verstehen. Das ist eine Gemeinschaft, die alle gesellschaftlichen Hürden (Freie – Sklaven, Männer – Frauen, Juden – Heiden) unterminiert und zerstört. Es ist nicht mehr ein allmächtiger Gott über dem Sternenzelt, sondern ein versehrter, ein behinderter, ein gescheiterter, ein gestorbener Gott mitten unter ihnen. Eine tiefer gehende Revolution hat es in der Religionsgeschichte nicht gegeben.

Und wir heute? Wir leben wie die Jüngerinnen und Jünger in einer Krise, in einer Pandemie, die alles verändert. Wenn die Zeit nach der Pandemie eine Fortsetzung der Zeit davor wird, haben wir nichts gelernt. Die Welt braucht kein Weiter so, die Welt braucht eine Auferstehung in vielen Bereichen: Unsere Demokratie braucht eine Auferstehung. Unsere kapitalistische Wirtschaftsordnung braucht eine Auferstehung. Unsere Energieversorgung braucht eine Auferstehung. Unser Verhältnis zur Natur und zur Umwelt braucht eine Auferstehung. Und wenn man sich die Kirchen und Gemeinden in unserem Land ansieht, merkt man, dass auch sie eine Auferstehung brauchen. Nicht eine Reform oder ein spirituelles Facelifting oder ein auf Technik basierendes digitales Update, sondern eine Auferstehung.

Wir im Weiten Raum Marburg suchen nach der auferstandenen Kirche. Und wir freuen uns über jeden, der diesen Traum mitgestalten möchte.

Gerrit Pithan

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